Montag, 15. August 2011

Die Geschichte des PCs: DER URSCHREI (Teil5)


3. Der Volks-Empfänger

San Francisco. Dienstag, 24. Januar 1984. Schon an den Tagen zu­vor hatten Firmengründer Steven Jobs, 28, und sein Präsident John Sculley, 45, (Jahresbezüge: zwei Millionen Dollar) minde­stens 60 In­terviews gegeben. Jour­nalist nach Journalist betrat die zu ei­nem Ta­ges­preis von 575 Dollar gemietete Suite im Hotel Carlyle in San Francisco, um dem Traumpaar des Silicon Valleys immer wieder dieselben Fra­gen zu stellen. Arrangiert worden war das alles von dem PR-Agenten Regis McKenna, der insgesamt zwölf Titelsto­ries in den Fachma­ga­zinen angeleiert hatte.

Jobs und Scul­ley hatten mit wachsender Routine jede Frage be­ant­wortet. Sie hatten sich dabei die Bälle gegenseitig zugespielt wie zwei professionelle Nachrichten­mo­de­ratoren, registrierte das Wall Street Journal.[1]

Das ganze Brimborium war eine absolute Antithese zu IBMs PR-Ver­halten. »IBM gibt einem eine Presseerklärung und führt einen durch die Pressekonferenz. Da ist kein Zirkus, niemand wird an­gegriffen. Es gibt keine Mißverständnisse. Alles ist sauber«, be­schrieb Stewart Alsop, Chefredakteur des Fachblattes InfoWorld und heute Kolumnist bei Fortune, die ihm angenehmere Big Blue-Attitüde.[2]

Doch Apple wollte die Show, weckte die Emotion und provozierte das Feind­bild - so wie es Sculley bei seiner früheren Firma ge­lernt hat­te: bei der damals 7,5 Umsatzmilliarden (Dollar) schwe­ren Pepsi-Cola Co.. Deren Präsident mit einem Jahresgehalt von zuletzt 500.000 Dollar war er fünf Jahre lang ge­we­sen, bevor er am 2. Mai 1983 bei Apple anheuerte. Hier löste er A.C. »Mike« Markkula Jr. damals 41, ab, der ganz einfach »seine Grenzen« er­kannt hatte und abtreten wollte.[3]

Jobs, Mac & Sculley

Nun sollte ein brillanter Marketing-Mann kommen - einer aus der Pepsi-Generation. Hier hatte Sculley einen erfolg­rei­chen Werbe­feldzug gegen den Erzfeind Coca-Cola ge­führt. Hier war er, der 16 Jahre der Firma gedient hatte, bereits als Nach­folger für den legendären Pepsi-Boß Donald M. Kendall gehandelt worden. Immerhin war Kendall sein früherer Schwiegervater gewe­sen. Doch Sculley, der Architektur stu­diert hatte, sah keinen Spaß mehr in der Fir­ma, die vor gestillten Märkten stand. Hier hieß es den täg­lichen Kampf um ein halbes Prozent mehr Marktanteile anzu­tre­ten. In der Computerbranche ging es noch ums Ganze, an dem sei­ner Meinung nach in spätestens drei Jahren nur noch fünf Anbieter überleben würden. Und da sollte Apple zu den Siegern gehören.[4] »Ich bin ein Aufbauer, kein Controller oder Be­wah­rer«, charak­terisierte er sich selbst gegenüber Business Week.[5] »Ich habe meine gesamte Karriere in einer hochgradig wett­be­werbsintensiven Bran­che verbracht. Coca-Cola ist ein recht hübscher Wettbe­werber.«

Nun wollte er einen neuen Gegner, einen, ge­gen den er sein ganzes Kön­nen neu einbringen konnte. Nicht mehr in der Soft-Drink-Bran­che, son­dern im knallharten Hardware-Busi­ness. Und knallhart gingen Sculley & Jobs gegen Big Iron, ge­gen IBM, vor, wie die Ankün­digung des MacIntoshs am 24. Januar 1984 zeigte.

Steven Jobs betrat das Podium. Der Mac war sein Baby. 1979 hatte er erstmals PARC besucht und dort all die Innovationen gesehen, die er nun mit dem Mac realisieren wollte.[6] Gegen IBM. Und schon heizte er im Stil ei­nes Laienpredigers sein Pu­bli­kum. Er forderte es heraus. »IBM will al­les, und sie zielt mit ihren Geschützen auf das letzte Hin­der­nis, das ihr noch auf dem Weg zur Branchenkontrolle fehlt: Apple. Wird Big Blue die gesamte Computer-Industrie kontrol­lie­ren? Hatte George Orwell recht?« Und die Menge, bestehend aus Händlern, Kun­den und Mitarbeitern, schmetter­te ihm ein tausendfaches Nein ent­gegen.[7]

Damit es auch beim Nein blieb, enthüllte Jobs den MacIntosh. Sein Preis: 2.495 Dollar gegenüber 3.000 Dollar, die ein ähnlich aus­ge­statteter IBM PC kostete. War dieser ein 16-Bitler von Intel, so hatte der Mac bereits einen 32-Bitler von Motorola in sich. War der IBM PC ein klassischer Dreiteiler (Bildschirm, System­ein­heit, Tastatur), so hatte der Mac das Outfit eines von Sony gestylten Volksempfängers. War der PC-Bildschirm monochrom grün, so war Macs Mattscheibe schwarz-weiß. Hatte der PC 5,25 Zoll Dis­ketten, so war sein neuer Konkurrent mit einem 3,5 Zoll-Laufwerk aus­gestattet. Erst 1987 mit der Ankündigung des PS/2 sollte IBM auf diesen neuen Standard setzen.

Der größte Unterschied bestand indes da­rin, daß der Mac nicht IBM-kompatibel war: »Wir hatten darüber nachgedacht. Wir hätten es tun können und wir hätten damit eine Menge Geld verdienen können, aber seine Technik wäre uns nicht gut genug gewesen«, kanzelte Jobs den Rivalen ab.[8] Der eigentliche Grund lag tie­fer: Benutzerfreundlichkeit »war das einzige Argument, mit dem man IBM bekämpfen kann«, meinte damals Jean Yates, Präsidentin der Analyse-Firma Yates Venture in Los Altos (Kali­for­nien).[9] Die Grafikorientierung war die wichtigste Trumpfkarte, die Apple im Är­mel hatte. Und die hatte sie nun an diesem 24. Januar 1984 ausge­spielt. Fazit: »Es gibt keinen Zweifel, daß Apple nun einen Ge­winner be­sitzt«, kommentierte Aaron Goldberg, Analyst bei IDC, die An­kün­digung.[10]

Ja, Apple hatte einen Gewinner - doch nicht da, wohin sie sich heimlich hinsehnte: bei den Großunternehmen. Hier blieb Mac (bis heu­te) eher ein Mauer­blümchen. Daran änderte auch der ganze Werbe­rum­mel nichts. So kaufte Apple nach der triumphalen Wiederwahl von US-Präsident Ronald Rea­gan, dem früheren Gouverneur im Apple-Staat Kalifornien, im November 1984 die komplette Werbefläche einer Sonder-Ausgabe von Newsweek. Knapp ein Drittel des Umfangs hatte Apple mit ihren Insertionen besetzt.

Auch IBM hatte mit ihrem PC einen Gewinner - aber nicht da, wo­hin sie sich heimlich hinsehnte: bei den Konsumenten. »Das elektro­ni­sche Heim wird der größte Kampfplatz werden, den die Revolution in der Informations-Technologie bislang erzeugt hat«, hatte noch im September 1983 John Imlay, Gründer des Softwarehauses Management Science of America (MSA) erklärt. Er mochte damit recht haben, wenngleich sich dies erst in den neunziger Jahren erfüllen sollte.[11]

So unterschiedlich im Temperament die beiden Kontrahenten, IBM und Apple, waren in einem Punkt waren sie sich auf kuriose Weise sehr nah gekommen. Jeder kopierte nämlich die Strategie des anderen: Apple, indem sie mit dem Mac ein geschlossenes, sehr proprietäres System vorstellte, wie man es in dieser Form nur von IBM kannte, und Big Blue hatte bei der Vorstellung ihres PCs die Apple-Strategie der siebziger Jahre imitiert: totale Offenheit.

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Quellen

[1] Wall Street Journal, 24.1.1984, Erik Larson, Carrie Dolan: »Apple courts the press as it prepares ton unveil Macin­tosh Model today«

[2] Wall Street Journal, 24.1.1984, Erik Larson, Carrie Dolan: »Apple courts the press as it prepares ton unveil Macin­tosh Model today«

[3] Wall Street Journal, 12.4.1983, Janet Guyon, Erik Larson: »Apple`s new chief aims to build loyalty«

[4] Wall Street Journal, 11.4.1983, Janet Guyon, Erik Larson: »Apple Computer picks Sculley as President, Chief Execu­ti­ve«

[5] Business Week, 25.4.1983: »Why Sculley gave up the Pepsi Challenge«

[6] Business Week, 26.11.1990, John W. Verity: »Rethinking Computers«

[7] Time, 15.7.1991, Thomas McCarroll: »Love at first byte«

[8] Financial Times, 2.1.1984, Louise Kehoe: »Apple seeks to fend off IBM with launch of desktop range«

[9] Wall Street Journal, 9.12.1983, Charlie Dolan: »Apples long awaited Macintosh computer is viewed as critical to company`s future«

[10] Financial Times, 32.1.1984, Louise Kehoe: »Apple seeks to fend off IBM with launch of desktop range«

[11] Financia Times, 30.9.1983, Alan Cane: »Suddenly, the great software bonanza«

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