Apple grüßt IBM - am Tag nach der Ankündigung
Journalyse-Quelle: Stattarchiv RV
Autor: Raimund Vollmer
1.4 Die »Revolution« auf dem Testbrett
Boca Raton. Anfang September 1981. An einem schwülen Spätsommertag im Geburtsjahr des PCs machte sich Will H. Fastie auf den Weg von Baltimore nach Boca Raton, um hier im Süden Floridas die Wiege und das »Heim des IBM Personal Computers« zu besuchen. Für den Journalisten war nach der Ankündigung klar, daß diese Maschine eine »Revolution bei Kleinrechnern« darstellte. Der Testreporter war im Auftrag der Fachzeitschrift Creative Computing unterwegs, die im Dezember 1981 seinen ersten Bericht veröffentlichen wollte. Der Test-Termin war unter widrigen Umständen zustande gekommen. Denn IBM hütete anfangs das Maschinchen wie Fort Knox, die US-amerikanische Gold-Reserve.
Dies hatte Fastie schon im Vorlauf seines Besuchs deutlich zu spüren bekommen. Zwei Wochen lang hatten er und seine Sekretärin sich um den Termin in Boca Raton, im neuen Mekka des PC-Geschäftes, bemüht. Immer wieder waren sie vertröstet worden. Argument: der PC werde noch gar nicht ausgeliefert. Verzweifelt stöhnte Fastie: »Verstehen denn diese Leute nicht den Kleinrechnermarkt? Wollen sie denn nicht, daß die Welt etwas über ihr Produkt erfährt?«[1] Zehn Jahre später gab ihm der IBMer Robert Corrigan eine Antwort: »Wir verstanden weder den Markt noch das Geschäft. Es war eine technologiegetriebene Ankündigung. Es war kein marktgetriebenes Produkt.«[2]
Immerhin zeigte IBM damals ein Einsehen. Nun war Fastie am Ziel seiner Träume. Vor ihm, in einem vollklimatisierten Raum, standen drei jener Wundermaschinen, die das PC‑Geschäft revolutionieren sollten: »Der IBM Personal Computer ist der erste in der zweiten Generation von Kleinsystemen«, vermerkt Fastie wagemutig in seinem Bericht.
Schwarze Dinger mit silbernen Beinen. Fastie war fasziniert: »Das vielleicht aufregendste Feature des IBM Personal Computers ist seine Grafikfähigkeit«, lobte er den äußeren Eindruck in seinem Bericht. »Der Bildschirm ist einer der schärfsten, klarsten und attraktivsten, den ich je gesehen habe.« Dabei war die Mattscheibe nur monochrom.
Aber mit Äußerlichkeiten gab sich Fastie nicht zufrieden. Er wollte dem Computer unter das Blechkleid gucken. Wieder stieß er auf eine Mauer der Ablehnung. Fastie wollte schon aufgeben, als er seinen letzten Trumpf ausspielte. Der Artikel werde erst nach dem Start der Auslieferung erscheinen, erklärte er. Dann wäre das Innere ohnehin kein Geheimnis mehr. Fort Knox wurde geöffnet. Fastie hatte gewonnen. Seinen Lesern erzählte er: »Ich kann Ihnen berichten, dass sich innerhalb der Systemeinheit ein Bündel von grünen Karten befindet, vollgestopft mit schwarzen Dingern, die jede Menge silberne Beine besitzen.«[3]
So warb IBM in Deutschland für den PC, dessen Hausfarbe anfangs nicht blau oder grau war, sondern rot.
Kurzum: Fastie wusste auch nicht mehr als Der Spiegel. Der hatte sich bereits nach der Ankündigung redlich bemüht, das Innere des Tausendsassas seinen gebildeten Lesern in populärer Schreibe vorzustellen: »Kernstück des IBM‑Systems ist der Mikroprozessor 8088 von Intel, der allerdings 16 Informationsbits gleichzeitig verarbeitet, doppelt soviel wie die Prozessoren der meisten bisher erhältlichen Geräte. Zusammen mit einem elektronischen Gedächtnis, das je nach Ausführung 16.000 bis 260.000 Zeichen (entsprechend etwa 18 bis 300 maschinengeschriebenen Seiten Text) speichern kann, bildet es die eigentliche Computereinheit.«[4]
Also, im Schnellslang von heute sah die CPU so aus: Intel 8088/4,77 MHz (16 Bit mit 8‑Bit‑Datenpfad), 40 KB ROM, Hauptspeicher zwischen 16 und 256 Kilobyte. Adressierbarer Speicher: 1 Megabyte.
Sein Hauptmerkmal, kurzum die »Revolution«, war der 16‑Bit‑Prozessor. In ihm lag aber auch die Gefahr. Fastie: »Das Problem besteht darin, dass sie eine Maschine gebaut haben, die sich sehr stark unterscheidet von den anderen, und für die im allgemeinen Markt nur wenig Unterstützung gefunden werden kann.« Dabei war der Rechner nur in seinem Innern eine 16‑Bit‑Maschine, der externe Datenbus war auf acht Bit ausgelegt. Er war also eine Art Zwitter. Erst mit dem Prozessor 8086 sollte die Pfadlänge ebenfalls auf 16 Bit ausgelegt werden. Doch da war der Markt schon längst entschieden. Um den PC herum entstand bis 1984 eine riesige Industrie, in der 2.500 Hersteller mehr als 3.000 Produkte anboten.
Diese Unternehmen hatten sehr schnell erkannt, was Ulric Weil, Analyst bei dem Wertpapierhaus Morgan Stanley, 1983 so beschrieb. »Innerhalb weniger Monate war der IBM PC der Standard im Markt für Personal Computer.«[5] Drei Jahre nach seiner Ankündigung wurden 85 Prozent aller Anwendungen für diese neue Generation entwickelt.
Der PC hatte eine ähnliche Wirkung, wie 1964 die Ankündigung der Großrechnerfamilie IBM /360, die damals sehr schnell den Standard setzte. Und mit ihr wurde der PC auch technisch verglichen. Kostete zum Beispiel ein Modell 30 der /360 in den sechziger Jahren 280.000 Dollar und leistete dafür 33.000 Rechenoperationen in der Sekunde, so schnurrte der PC mit mehr als doppelt so vielen Operationen für 7.000 Dollar. Brauchte das Modell 30 für seine Zentraleinheit eine Stellfläche von 1,60 mal 2,00 Meter, so paßte der PC auf jeden Schreibtisch.
1.5 Die Nummer 1 von 1981: Apple Computers
Aber natürlich verglich man damit Äpfel mit Birnen statt mit Apple, dem damals viel umjubelten Newcomer im Micro‑Markt. Bei IBMs Markteintritt war die am 1. April 1976 gegründete Apple Computers der Platzhirsch im 1,5 Milliarden Dollar schweren Micromarkt, in dem sich damals rund 200 Hersteller tummelten. Rund 350 Millionen Dollar Umsatz hatte Apple für 1981 taxiert und war damit die Nummer 1.[6]
Obwohl der PC in der Basiskonfiguration 20 Prozent teurer war als der damals äußerst populäre Apple II, bot er mehr Offenheit und damit mehr Optionen, das Maschinchen zu erweitern. Sein Hauptspeicher zum Beispiel war in der maximalen Ausbaustufe doppelt so groß wie der des Apple III, der damals die neueste Top-of-the-Line-Maschine der Kalifornier war.[7]
Apple blieb nichts anderes übrig, als den Herausforderer mit ganzseitigen »Willkommens-Anzeigen« zu begrüßen. »Welcome IBM«, hieß es in der Werbe-Botschaft, die am Tag nach der Ankündigung im Wall Street Journal erschien. Und die Kalifornier meinten das »ernsthaft. Willkommen in dem aufregendsten Marktplatz seit dem Beginn der Computer‑Revolution von 35 Jahren.«[8]
Man feierte das, was man fürchtete...
Die Geschichte des PCs TEIL 1 // TEIL 2 // TEIL 3 // TEIL 4 // TEIL 5 // TEIL 6 // TEIL 7 //Quellen
[1] Creative Computing, 12/1981, Will Fastie: »The IBM personal computer«
[2] Financial Times, 16.7.1991, Paul Tate: »Happy birthday to a trend setter«
[3] Creative Computing, 12/1981, Will Fastie: »The IBM personal computer«
[4] Der Spiegel, Nr. 35/1981: »Minis vom Riesen«
[5] Time, 11.7.1983, John Greenwald: »The Colossus that works«
[6] Fortune, 29.6.1981, Bro Uttal: »The coming struggle in Personal Computers«
[7] Business Week, 24.8.81: »IBM joins the race in personal computers«
[8] Time, 11.7.83, John Greenwald: »The Colossus that works«
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