Freitag, 12. August 2011

Die Geschichte des PCs: DER URSCHREI (Teil2)


Apple grüßt IBM - am Tag nach der Ankündigung

Journalyse-Quelle: Stattarchiv RV
Autor: Raimund Vollmer

1.4 Die »Revolution« auf dem Testbrett

Boca Raton. Anfang September 1981. An einem schwü­len Spätsom­mer­tag im Ge­burtsjahr des PCs machte sich Will H. Fastie auf den Weg von Bal­­timore nach Boca Raton, um hier im Sü­den Floridas die Wiege und das »Heim des IBM Personal Compu­ters« zu besuchen. Für den Journalisten war nach der Ankündigung klar, daß diese Maschine eine »Revolution bei Kleinrechnern« darstellte. Der Testreporter war im Auf­trag der Fach­zeit­­schrift Creative Compu­ting unterwegs, die im Dezember 1981 seinen ersten Bericht veröffentlichen wollte. Der Test-Termin war unter widri­gen Um­ständen zustande gekom­men. Denn IBM hütete anfangs das Maschin­chen wie Fort Knox, die US-amerikanische Gold-Reserve.

Dies hatte Fastie schon im Vorlauf seines Besuchs deut­lich zu ­spüren bekommen. Zwei Wochen lang hatten er und sei­ne Sekretärin sich um den Ter­­min in Boca Raton, im neuen Mekka des PC-Ge­schäftes, bemüht. Immer wieder wa­ren sie vertröstet wor­den. Argument: der PC werde noch gar nicht aus­­ge­liefert. Verzweifelt stöhnte Fastie: »Ver­stehen denn diese Leu­te nicht den Klein­rechnermarkt? Wollen sie denn nicht, daß die Welt etwas über ihr Produkt er­fährt?«[1] Zehn Jahre später gab ihm der IBMer Robert Corrigan eine Ant­wort: »Wir verstanden weder den Markt noch das Geschäft. Es war eine technologiegetriebene Ankündigung. Es war kein marktge­trie­benes Produkt.«[2]

Immerhin zeigte IBM damals ein Einsehen. Nun war Fastie am Ziel sei­ner Träume. Vor ihm, in einem vollklimatisierten Raum, standen drei jener Wun­der­ma­schi­nen, die das PC‑Geschäft revo­lutionieren soll­ten: »Der IBM Per­so­nal Com­puter ist der erste in der zweiten Genera­tion von Klein­­sy­ste­men«, vermerkt Fastie wagemutig in sei­nem Bericht.

Schwarze Dinger mit silbernen Beinen. Fastie war fas­zi­niert: »Das vielleicht auf­regend­ste Feature des IBM Personal Com­puters ist seine Gra­fik­fähig­keit«, lobte er den äußeren Ein­druck in sei­nem Be­richt. »Der Bild­schirm ist einer der schärf­sten, klar­sten und at­traktivsten, den ich je ge­sehen habe.« Dabei war die Mattscheibe nur mo­no­chrom.

Aber mit Äußerlichkeiten gab sich Fastie nicht zu­frieden. Er wollte dem Computer unter das Blech­kleid gucken. Wieder stieß er auf eine Mauer der Ablehnung. Fastie woll­te schon aufgeben, als er seinen letzten Trumpf ausspielte. Der Artikel werde erst nach dem Start der Aus­lieferung erscheinen, erklärte er. Dann wäre das Innere ohnehin kein Ge­heim­nis mehr. Fort Knox wur­de geöffnet. Fastie hatte ge­wonnen. Seinen Lesern erzählte er: »Ich kann Ihnen berich­ten, dass sich innerhalb der Sy­stemeinheit ein Bündel von grünen Kar­ten befindet, vollgestopft mit schwarzen Dingern, die jede Menge silberne Bei­ne besitzen.«[3]

So warb IBM in Deutschland für den PC, dessen Hausfarbe anfangs nicht blau oder grau war, sondern rot.

Kurzum: Fastie wusste auch nicht mehr als Der Spiegel. Der hat­te sich bereits nach der Ankündigung redlich bemüht, das Innere des Tausendsassas seinen gebildeten Le­sern in populärer Schreibe vor­zu­stellen: »Kernstück des IBM‑Sy­stems ist der Mikroprozessor 8088 von Intel, der al­ler­dings 16 In­formationsbits gleichzeitig ver­arbeitet, doppelt so­viel wie die Prozes­soren der meisten bis­her erhältlichen Geräte. Zusammen mit einem elek­t­ronischen Ge­dächt­­nis, das je nach Ausfüh­­rung 16.000 bis 260.000 Zeichen (ent­spre­chend etwa 18 bis 300 ma­schi­nen­geschriebenen Seiten Text) spei­chern kann, bildet es die ei­gent­liche Computereinheit.«[4]

Also, im Schnellslang von heute sah die CPU so aus: Intel 8088/4,77 MHz (16 Bit mit 8‑Bit‑Datenpfad), 40 KB ROM, Haupt­spei­cher zwischen 16 und 256 Kilo­byte. Adressierbarer Speicher: 1 Megabyte.

Sein Hauptmerkmal, kurzum die »Revolution«, war der 16‑Bit‑Pro­zes­sor. In ihm lag aber auch die Gefahr. Fastie: »Das Problem be­steht darin, dass sie eine Maschine gebaut haben, die sich sehr stark unter­schei­det von den anderen, und für die im allgemeinen Markt nur we­nig Unterstützung gefunden werden kann.« Dabei war der Rechner nur in seinem Innern eine 16‑Bit‑Maschine, der ex­ter­ne Datenbus war auf acht Bit ausgelegt. Er war also eine Art Zwit­­ter. Erst mit dem Prozessor 8086 sollte die Pfadlänge eben­falls auf 16 Bit ausgelegt wer­den. Doch da war der Markt schon längst entschieden. Um den PC herum entstand bis 1984 eine rie­sige Industrie, in der 2.500 Hersteller mehr als 3.000 Produk­te an­boten.

Diese Unternehmen hatten sehr schnell erkannt, was Ul­ric Weil, Ana­lyst bei dem Wertpapierhaus Morgan Stanley, 1983 so beschrieb. »In­nerhalb weniger Monate war der IBM PC der Stan­dard im Markt für Personal Computer.«[5] Drei Jahre nach seiner Ankündigung wurden 85 Prozent aller An­wendungen für diese neue Generation entwickelt.

Der PC hatte eine ähnliche Wirkung, wie 1964 die Ankündigung der Großrechnerfamilie IBM /360, die damals sehr schnell den Standard setzte. Und mit ihr wurde der PC auch technisch verglichen. Kostete zum Beispiel ein Modell 30 der /360 in den sechziger Jahren 280.000 Dollar und leistete dafür 33.000 Rechenoperationen in der Sekunde, so schnurrte der PC mit mehr als doppelt so vielen Operationen für 7.000 Dollar. Brauchte das Modell 30 für seine Zentral­einheit ei­ne Stellfläche von 1,60 mal 2,00 Meter, so paßte der PC auf je­den Schreibtisch.
1.5 Die Nummer 1 von 1981: Apple Computers

Aber natürlich verglich man damit Äpfel mit Bir­nen statt mit App­le, dem damals viel umju­bel­ten Newcomer im Micro‑Markt. Bei IBMs Markteintritt war die am 1. April 1976 gegründete Apple Computers der Platzhirsch im 1,5 Milliar­den Dollar schwe­ren Micromarkt, in dem sich damals rund 200 Hersteller tum­mel­ten. Rund 350 Millionen Dollar Umsatz hatte Apple für 1981 taxiert und war damit die Num­mer 1.[6]

Obwohl der PC in der Basiskonfiguration 20 Prozent teurer war als der damals äußerst populäre Apple II, bot er mehr Offenheit und damit mehr Optionen, das Maschinchen zu erweitern. Sein Haupt­speicher zum Beispiel war in der maximalen Ausbaustufe doppelt so groß wie der des Apple III, der damals die neueste Top-of-the-Line-Ma­schi­ne der Kalifornier war.[7]

Apple blieb nichts anderes übrig, als den Herausforderer mit ganzseitigen »Will­kommens-Anzeigen« zu be­grü­ßen. »Welcome IBM«, hieß es in der Werbe-Botschaft, die am Tag nach der Ankündigung im Wall Street Journal erschien. Und die Kalifornier meinten das »ernsthaft. Willkommen in dem auf­regendsten Marktplatz seit dem Beginn der Computer‑Revolu­tion von 35 Jahren.«[8]

Man feierte das, was man fürchtete...

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Quellen


[1] Creative Computing, 12/1981, Will Fastie: »The IBM personal com­puter«

[2] Financial Times, 16.7.1991, Paul Tate: »Happy birth­day to a trend setter«

[3] Creative Computing, 12/1981, Will Fastie: »The IBM personal computer«

[4] Der Spiegel, Nr. 35/1981: »Minis vom Riesen«

[5] Time, 11.7.1983, John Greenwald: »The Colossus that works«

[6] Fortune, 29.6.1981, Bro Uttal: »The coming struggle in Personal Computers«

[7] Business Week, 24.8.81: »IBM joins the race in personal computers«

[8] Time, 11.7.83, John Greenwald: »The Colossus that works«


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