Sonntag, 11. September 2011

Der Jahrhundert-Sprung (Teil IV)


Smart - Was IBM heute als Zauberwort in die Welt setzt, war im Jahr 2000 schon auf der Titelseite.

4. Elektronische Baustellen

Bis das 21. Jahrhundert sich voll manifestieren würde, müsse sich und werde sich zuerst einmal das Internet selbst revolutionieren. Und damit auch die Geschäftswelt. Genau das vollziehe sich in den nächsten Jahren, hieß es vor zehn Jahren. »Bislang wurde die Technologie weitgehend funktional verstanden. Nun betrifft sie jeden in einer Organisation«, behauptete Peter McAteer, Analyst bei der Unternehmensberatung Giga Information Group.[1]

Die Folgen seien überall sichtbar. »Wir haben die größte elektronische Baustelle aufgemacht«, erklärte zum Beispiel Heinrich von Pierer, damals noch hochgeschätzter und geachteter Vorstandsvorsitzender bei der Siemens AG.[2] Auch Jürgen Schrempp, ungeliebter, aber nichtsdestotrotz allmächtiger Vorstandschef bei der DaimlerChrysler AG, meinte, dass die Zukunft seines Unternehmens nicht mehr allein von der Kernkompetenz Automobilbau abhängig sei: »Wir müssen bei der Technologie die Nummer 1 sein – sowohl auf der Seite des Internets als auch bei Autos.«[3] Zehn Jahre später hatte sich der zur Daimler AG reduzierte Automobilkonzern auf sein Kerngeschäft konzentriert, die Ausflüge in alle Gefilde der Technologie und Globolomanie hatte dem Konzern nicht viel Glück gebracht. Aber mit seinen HHoffnungen und Ambitionen war Schrempp nicht allein. Jacques Nasser, vor zehn Jahren Chairman von Ford, sah ebenfalls den tiefreifenden Wandel, den die neuen Kommunikationstechnologien auslösen würden: »Das Internet ist das Fließband des 21. Jahrhunderts.«[4]

Aber es genügte nicht nur, dieses Fließband zu besitzen. Man musste es auch optimal nutzen. Dazu müsse man sich permanent mit anderen vergleichen. »Wenn wir über das Internet reden, dann müssen wir nach den besten auf diesem Gebiet schauen. Dort können wir von Computerfirmen lernen oder von Händlern in völlig anderen Branchen wie zum Beispiel PCs oder Büchern«, meinte Joachim Milberg, zu jener Zeit Vorstandsvorsitzender bei der BMW AG in München.[5]

Überall hatte man das Gefühl, dass die Redenschreiber das Sagen hatten. Aber waren die Bosse wirklich mit vollem Herzen dabei? Waren sie zudem wirklich die Typen, um die Transformation leisten zu können. Alles wurd miteinander vermengt. Dabei zeigt sich folgender Grundtrend:

· Waren die neuen Geschäftsmodelle bislang auf höhere Preistransparenz und sinkende Kosten ausgerichtet,

· so stand in den kommenden Jahren mehr Komfort, Bequemlichkeit und Vertrauen im Vordergrund. [6]

Alles sollte nicht nur preisgünstiger werden, sondern vor allem einfacher. Das war der Punkt, wo nicht mehr allein die Technik mit ihren Browsern und Suchmaschinen im Vordergrund stehe, sondern die organische Einbindung der gesamten logistischen Infrastruktur, wie sie in den letzten hundert Jahren aufgebaut wurde.Eine gigantische Aufgabe.

Wir wollten die Grundlagen für das 21. Jahrhundert zu schaffen. Und es würde viel Geld kosten.

Quellen

[1] Financial Times,, 17.11.2000, Andrew Fisher: »Bewildering change in the boardroom«

[2] Die Welt, 11.10.2000: »Siemens-Konzern startet Internet-Offensive«

[3] Fortune, 6.3.2000, Alex Taylor III: «Ist The World Big Enough For Jürgen Schrempp«

[4] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.9.2000: »Statt an Reifen denkt der Ford-Chef lieber an der „E-Modell“«

[5] Wall Street Journal, 23.11.2000,Scott Miller: »BMW Chief Learned Valuable Managerial Lesson From Saga That Ended With Sale of Rover Unit«

[6] Financial Times, 9.10.2000, Andrew Edgecliffe-Johnson: »Under the hammer«

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