Montag, 12. September 2011

Der Jahrhundert-Sprung (Teil V)

Von Raimund Vollmer
Ein Click zurück in die Welt vor 10 Jahren


5. Die e-economy

Wie sahen diese Grundlagen aus? »Die Veränderungen, die nun die etablierten Unternehmen bedrängen, sind ohne Beispiel«, glaubte Bart Schutte, Partner bei The Capital Markets Company in Großbritannien. Sein Unternehmen hat sich auf e-business-Lösungen für den Finanzsektor spezialisiert, der schon immer als einer der Vorreiter beim Computereinsatz gewesen galt. Doch jetzt bekamen die Investitionen in High-Tech eine neue Dimension: »Zum ersten Mal ist es die Technologie, die die Strategie bestimmt.«[1] Ähnlich sah dies auch John Chambers, Chief Executive Officer von Cisco: »Die Technologie wandelt sich von einem netten Produktivitätswerkzeug zu einem fundamentalen Treiber des Wandels.«[2]

Deshalb war man anfangs auch der Meinung, dass die High-Tech-Firmen das große Sagen haben würden. Davon profitierten besonders die Internet-Firmen. Doch da wackelte der Schwanz mit dem Hund. Denn im Vergleich zu der 40.000 Milliarden Dollar schweren Weltwirtschaft nahm sich die New Economy noch recht klein aus. Was ihre Faszination bislang ausmachte, war ihr schnelles, geradezu atemberaubendes Wachstum.

· 1998 setzte die Internet-Economy nach einer Berechnung der Analysefirma InternetIdenticators in den USA rund 300 Milliarden Dollar um und schuf 1,3 Millionen neue Jobs. Der durchschnittliche Umsatz pro Kopf erreichte 250.000 Dollar.

· Zugleich legte die e-comomy zwischen 1995 und 1998 ein Wachstum von jährlich 175 Prozent vor, die US-Wirtschaft aber nur von 3,8 Prozent.

Wenngleich diese Raten auf Dauer kaum durchzuhalten waren, so erschienen sie immer noch beachtlich. Auf 524 Milliarden Dollar bezifferte die University of Texas für 1999 die Internet-bezogenen Umsätze in den USA. Weltweit seien es mehr als 700 Milliarden Dollar, hieß es.[3] In Amerika sei die Internet-Wirtschaft inzwischen größer als der Energiesektor oder die Telekommunikationsbranche. Ja, sie habe sogar schon die Automobilindustrie (350 Milliarden Dollar) übertroffen. Weltweit hatte sie gleichgezogen mit der Fernmeldebranche, die rund 750 Milliarden Dollar umsetzt. Heute, 2011, liegen IT und Telecoms mit jeweils etwa 1,5 Billionen Dollar Volumen weltweit gleichauf.

Woher kam dieses gigantische Wachstum? War es das Verdienst der Startups? Nein, zumindest nicht ausschließlich. Die zwölf größten Unternehmen der USA stellten 2000 ein Drittel aller Internet-basierender Jobs. Und eine ähnliche Entwicklung zeichnete sich auch in Europa ab. Das bedeutete: Die Internet-Wirtschaft wuchs dadurch, dass sie alle anderen Branchen durchdrang.

Trotzdem sah es bis April 2000 so aus, als würde das 21. Jahrhundert allein von den dot.coms beherrscht. Doch plötzlich brachen die Kurse ein. Innerhalb einer Woche sackten die Werte am Neuen Markt und am Nouveau Marché um 35 Prozent ab. An der Technologie-Börse Nasdaq wurden 2000 Milliarden Dollar an Kapitalisierung vernichtet.[4] Nie mehr sollten sich die High-Tech-Börsen von diesem Schlag wirklich erholen. Aus den dot.coms – so titelte das Nachrichtenmagazin Newsweek - wurden dot.bombs.[5]


[1] Financial Times,, 17.11.2000, Andrew Fisher: »Bewildering change in the boardroom«

[2] Business Week, 28.8.2000, John A. Byrne: »Visionary vs. visionary«

[3] Fortune, 24.7.2000, Theodore Spencer: »The Boom Beneath the Bust«

[4] Business Week, 1.5.2000, John Rossant, David Fairlamb: »Ripples, but no panic«

[5] Neesweek, 3.4.2000: »Dot-Bomb«

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