»Meine Hypothesen: Das Subjekt als Vielheit.«Friedrich Nietzsche, 1887, in »Der Wille zur Macht«
13. Pluralis Majestatis
Die Zukunft besteht aus Wissen. Schon haben wir aus purer
Geistesmaterie einen eigenen, gewichtslosen Kontinent geformt. Das ist der
Cyberspace, der über seine Software die Menschen auf neue Weise sozialisiert.
Im Cyberspace kann sich jeder Mensch als das Zentrum
definieren. Hier kann er seine eigenen Lebensverhältnisse definieren. Hier hat
er nicht nur ein Ich, hier kann er viele Ichs nebeneinander stellen – ohne sich
dabei clonen zu müssen. Jedes Pseudonym ist ein eigenes alter ego, ein anderes
Ich. Der Mensch teilt sich dabei nicht nur in eine Zukunft, sondern in viele –
für jede seiner selbst bestimmten Rollen. Er ist sich selbst sein eigenes
Gestaltungswerkzeug.
Jeder Erscheinungsform kann er eine eigene Gegenwart, eine
eigene Vergangenheit, eine eigene Zukunft, ein eigenes Alter, ein eigenes
Wissen, eine eigene Vita geben. Er
wandert hin und her. In Zeit und Raum. Zwischen sich selbst.
Ein Traum wird virtuell. 1967 hatte ihn der Schriftsteller
Brian Aldies, in seiner Erzählung »Still Trajectories« beschrieben: »Vergesst
Vergangenes, lebt überall zugleich, trennt euch, öffnet euch, gebt euren Launen
nach, macht alles, überall zugleich, verstreut eure Fotos zum Segen aller in
alle Welt. Vertausendfacht euch, und ihr werdet eine große, stille Flugbahn,
nicht längs, sondern seitwärts gesehen, eine unilaterale Unsterblichkeit.«
Im Cyberspace steuert der Mensch sich selbst – in all seiner
Vielheit. Es ist genug Platz da. Für Abermilliarden unterschiedlichster Egos.
Jeder ist hier ein absoluter Souverän, kann von sich selbst in der Wir-Form
sprechen, im Pluralis Majestatis. Als Herrscher wählt er sich sein eigenes
Volk.
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